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Luftfahrt

Russischer Aeroflot droht weitere Verstaatlichung

Der Kreml muss Aeroflot mit Milliarden unter die Flügel greifen. Im Gegenzug soll der Anteil des Staates an Russlands größter Airline weiter steigen.

19.06.2020 | von André Ballin

Aeroflot-Maschine Anfang März © Reuters

Moskau Wie die Lufthansa in Deutschland steht auch Russlands größte Fluglinie Aeroflot wegen der Coronakrise massiv unter Druck. Allein im ersten Quartal vergrößerte die Airline ihren Verlust um rund 50 Prozent auf 22,5 Milliarden Rubel, umgerechnet etwa 290 Millionen Euro. Die finanziellen Ergebnisse für das zweite Quartal, in dem Aeroflot im Mai 93,1 Prozent seines Passagieraufkommens verloren hat, sehen voraussichtlich noch schlechter aus.

 

Ohne staatliche Hilfe übersteht Aeroflot die Krise wohl nicht. „Wir halten uns noch über Wasser. Aber wenn es überhaupt kein Geld gibt und wir die Bankkredite aus dem dritten Hilfspaket aufgezehrt haben, dann müssten wir schon härtere Maßnahmen ergreifen – und das wäre nicht wünschenswert“, warnte Aeroflot-Generaldirektor Witali Saweljew bereits Ende April.

Die russische Regierung plant nun Berichten zufolge, den Konzern mit 80 Milliarden Rubel, gut einer Milliarde Euro, zu stützen. 50 Milliarden Rubel kommen dabei wohl direkt aus dem Haushalt, den Rest steuern die Staatsbank VTB und der ebenfalls staatliche Fonds für Direktinvestitionen (RFPI) bei.

Das ist zwar deutlich weniger als das bis zu neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket der Bundesregierung für die Lufthansa. Laut Alexander Lanetzki, Generaldirektor bei der Beraterfirma Friendly Avia Support, könnte die Summe Aeroflot aber immerhin über den kommenden Winter bringen. Seiner Berechnung nach reicht das Geld für sechs bis neun Monate. Dazu müsste Aeroflot aber zumindest 50 Prozent seiner Passagiere halten.

Als Hilfspaket hat die Regierung im Mai der Branche bereits 300 Millionen Euro an Subventionen versprochen. Das jetzt diskutierte Hilfspaket für Aeroflot wäre im Gegensatz zu diesem für den Konzern allerdings nicht umsonst.

Noch kein Termin für Wiederaufnahme internationaler Flüge

So soll Aeroflot neue Aktien im Gegenwert der Staatshilfe emittieren. Vorausgesetzt die Papiere gehen zum Marktpreis an die Regierung, erhöht sich der direkte Staatsanteil an der Airline von derzeit 51,2 auf 56,4 Prozent. Das gemeinsam von VTB und RFPI kontrollierte Paket würde auf 17,2 Prozent anwachsen.

 

Der Anteil der privaten Minderheitsaktionäre würde in diesem Szenario dagegen auf 26,2 Prozent fast halbiert. Das ist nur noch geringfügig mehr als die Sperrminorität. An der Börse stießen die Pläne daher auf wenig Gegenliebe. Am Donnerstag gehörten die Aeroflot-Papiere nach Bekanntwerden der Nachricht zu den großen Verlierern.

Dabei ist noch nicht ausgemacht, dass die Milliarde Aeroflot reicht. Offiziell gibt es noch keinen Termin für die Wiederaufnahme internationaler Flüge. Angesichts der Tatsache, dass sich nach wie vor täglich noch über 7000 Russen mit dem Virus Sars-CoV-2 infizieren, gibt es auch keine Garantie, dass andere Länder ihre Grenzen für Russland eilig öffnen.

Die Branche lobbyiert aber eine schnelle Wiederaufnahme des internationalen Flugverkehrs. Als erstes sollen Flüge nach Europa und China wieder aufgenommen werden, möglichst noch in diesem Sommer. Aeroflot selbst bietet Tickets nach Berlin ab August an.

Für Aeroflot, das in seinem Geschäftsmodell stark auf Transitpassagiere im Europa-Asien-Verkehr setzt, ist die Öffnung der Grenzen essenziell. Ansonsten könnte das Unternehmen auf weitere Geldspritzen angewiesen sein.